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Das entstehende Europa im Christentum oder Islam?>


 

Die Entstehung des christlichen Abendlands

Name, Staat, Nation und Volk Europa gibt es das eigentlich? Diese Fragen müssen immer wieder und nachdrücklich gestellt werden, denn was ist Europa, welcher Staat ist Europa, wo beginnt Europa, wer sind die Europäer? Diese Fragen stellen klar, Europa ist kein eindeutig geographisch fassbarer Kontinent, sondern überwiegend ein kultureller und historischer Begriff, dass Europa erst in zweiter Linie eine geographische Einheit ist.

Dies wird deutlich, wenn man auf die Ursprünge zurückzugehen versucht ist, den Ursprung Europa zu erforschen. Die ältesten literarischen Spuren verweisen auf Herodot (484 - 425 v. Chr.), der wohl als erster Europa als geographischen Begriff kennt und es so definiert: „Die Perser sahen einst Asien mit seinen Völkern und Stämmen als ihr Land an; Europa und das Griechenland, lagen vollkommen außerhalb ihrer Grenzen(1)."

Für den heutigen Betrachter ist es klar: Das heutige Europa bildete sich mit den hellenistischen Staaten und dem Römischen Reich zu einen Kontinent, der sich als Grundlage für die Entstehung des heutigen Europa ausbildete. Die Grenzen des antiken Europa umfasste aber ganz andere Völker und Stämme, sie entstanden aus den Völkern rund um das Mittelmeer, die untereinander durch Handel und Verkehr, durch gemeinsamen  Interessen, nicht gerade politische Systeme, miteinander einen wirklichen 'Kontinent' bildeten.

Streitbare Auseinandersetzungen ließen keine Einigkeit unter den Stämme im nordafrikanischen Küstengebiet entstehen, doch der Siegeszug der islamischen Religion, im 7. und noch bis in das beginnende 8.  Jahrhundert hinein,  die

 

nordafrikanischen Völker wurden im Islam eingereiht, bildete Geschlossenheit(2). Durch die oft gewaltsam herbeigeführte Einigung der nordafrikanischen Stämme entstand eine Grenze durch das Mittelmeer, es wurde sozusagen in der Mitte durchschnitten, so dass, was bisher ein Kontinent gewesen war, sich nunmehr in drei Kontinente teilte: Afrika, Asien und Europa; der Ural wurde zur natürlich geographischen Grenze für die europäischen und asiatischen Völker(3).

Im islamischen Morgenland vollzog sich die Umbildung der alten Welt langsamer als im christlichen Abendland, das Römische Reich mit Konstantinopel als Mittelpunkt hielt bis ins 15. Jahrhundert stand, während der nördliche Teil des afrikanischen Kontinents, im 7. Jahrhundert, endgültig aus dem bisherigen Kulturraum herausgefallen ist; es vollzog sich mit dem Römischen Reich eine immer stärkere Ausdehnung nach Norden und Nordosten. Der Limes, der bisher kontinentale Grenze gewesen war, beginnt zu verschwinden und öffnet den Völkern und Stämmen Galliens, Germaniens und Britanniens die kulturellen Wege in das einstige Römische Reich, um es bislang für immer zu eigen machte; sie nahmen die mittlerweile bestehende griechisch-römische Kultur langsam und Schritt für Schritt an.

In diesem Prozess, mit den nicht nur geographischen, sondern auch kulturellen Grenzen, der sich über Generationen hinzog, wurde die ideelle Kontinuität mit dem vorangehenden, geographisch anders bemessenen mittelmeerischen Kontinent durch eine geschichtliche und theologische Konstruktion gewahrt; das Römische Reich als das letzte und bleibende Reich der Weltgeschichte  überhaupt  definiert sich

 

als das Sacrum Imperium Romanum. Dieser Prozess einer neuen geschichtlichen und kulturellen Identifizierung ist unter Karl dem Großen ganz bewusst vollzogen worden, und hier taucht nun auch wieder das alte Wort Europa in verwandelter Bedeutung auf. Diese Vokabel 'Europa' wurde nun geradezu als Beziehung für das Reich Karls des Großen gebraucht und drückte zugleich das Bewusstsein der Kontinuität und der Neuheit aus, mit dem sich das neue Staatengefüge als die eigentlich zukunftstragende Kraft auswies.

Der Begriff Europa ist zwar nach dem Ende des Karolingischen Reiches wieder weitgehend verschwunden und nur bei den Gelehrten erhalten geblieben, im Bürgertum geht er erst zu Beginn der Neuzeit über, um sich allgemein im 18. Jahrhundert durchzusetzen. Die Konstituierung des Frankenreiches als des nie untergegangenen und neu geborenen Römischen Reiches tat den entscheidenden Schritt auf das zu, was wir heute meinen, wenn wir von Europa sprechen.


 

 

(1) Die Perser bekriegten sich mit den Griechen, unter Alexander den Großen verlor der persische König sein Reich. Alexander der Große eroberte Ägypten und setzte Ptholemaios als Satrap ein.

In Ägypten entstand die Epoche der Ptholemäer.

(2) Die Zeit des letzten Propheten Mohammed.

(3)  Grenzen kannte man zu dieser Zeit noch nicht so wie man sie heute versteht.

 

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Byzanz und Rom

Die zweite und auch hauptsächliche Wurzel Europas, die nicht nach abendländischer Prägung entstand: Das Römische Reich, es hatte in Byzanz über die Stürme der Völkerwanderung und der islamischen Invasion standgehalten; es hat sich weit nach Norden in die slawische Welt hinein ausgedehnt und eine eigene, griechisch-römische Welt geschaffen, die sich von dem lateinischen Europa des westlichen Abendlandes; durch die andere Liturgie; die andere Kirchenverfassung; durch die andere Schrift und durch den Verzicht auf das Latein als gemeinsame Bildungssprache, unter- schieden. Es existieren aber genügend verbindende Elemente, die die östliche kontinentale Welt und die abendländische Welt doch zu einem gemeinsamen Kontinent machen könnten, mit dem gemeinsamen Erbe der Bibel und der alten Kirche die außerhalb Europa, in Palästina liegt; die gemeinsame politische Auffassung einer Reichsidee; das gemeinsame Grundverständnis der Kirche und damit auch die Gemeinsamkeit grundlegender Rechtsvorstellungen und rechtlicher Instru- mente; dazu das Mönchtum mit der grundlegenden religiösen und sittlichen Wertestellung.

Zwischen den beiden Europen gibt es mitten in der Gemeinsamkeit des westlichen kirchlichen Erbes allerdings doch noch einen tiefreichen- den Unterschied, auf dessen Bedeutung besonders hingewiesen werden muss. In Byzanz erscheinen Reich und Kirche nahezu miteinander identifiziert, der Kaiser ist das Haupt auch der Kirche, er versteht sich als Stellvertreter Christi. Nachdem das Kaisertum, seit Konstantin aus Rom abgewandert war, konnte sich in der alten Reichshauptstadt die selbständige Stellung des römischen Bischofs als Nachfolger Petri und Oberhaupt der Kirche entwickeln; Kaiser und Papst haben je getrennte Vollmachten; die Priester müssen bei weltlichen Dingen den Gesetzen des durch göttliche Ordnung eingesetzten Kaiser folgen, während dieser sich in göttlichen Dingen dem Priester zu unterwerfen habe; damit ist die Gewaltentrennung und die Gewaltenteilung eingeführt.

 

Diese Entwicklung ist für  das folgende Europa von höchster Bedeutung, das sozusagen  das Abendländische ausmacht, weil auf beiden Seiten entgegen solchen Abgrenzungen immer der Drang zur Totalität, das Verlangen nach der Überordnung der eigenen Macht über die andere lebendig blieb, ist dieses Trennungsprinzip auch zum Quell unendlicher Leiden geworden.

Sehr schnell wird dabei deutlich wie klein das Abendland, das Europa mittlerweile ausmacht, eigentlich ist. Viele Völker aus den ursprünglichen Stämmen drängten sich in den vorhandenen Lebensraum und versuchen untereinander die Oberherrschaft zu erringen; wie es recht zu leben, politisch wie religiös zu gestalten ist, blieb im eingeschränkten Raum ein grundlegendes Problem.

Wenn wir nach dem bisherigen die Entstehung des Karolingischen Reiches einerseits, das Fortbestehen des Römischen Reiches in Byzanz und seine Slawenmission andererseits als die eigentliche Geburt des 'Kontinents' Europa ansehen dürfen, so bedeutet für die beiden Europen der Beginn der Neuzeit einen Umbruch, der sowohl das Wesen dieses Kontinents wie seine geographischen Umrisse betrifft.

1453 wurde Konstantinopel von den Türken erobert, damit fand die christlich-griechisch- europäische Kultur von Byzanz ein Ende! So drohte damit der eine Flügel Europas zu verschwinden, das byzantinische Erbe aber war nicht tot! Moskau erklärt sich zum dritten Rom, bildet nun selbst ein eigenes Patriarchat auf der Basis der Idee einer zweiten translatio imperii und stellt sich damit als eine neue Metamorphose des Sacrum Imperium dar - als eine eigene Form von Europa, das doch dem westlichen Abendland verbunden blieb und sich immer mehr an ihm orientierte, bis schließlich Peter der Große es zu einem westlichen Land zu machen versuchte.(1)

Die nach Norden sich zu verschiebenden Grenzen des byzantinischen Europa brachte es mit sich, dass nun auch die Grenzen des Kontinents weit nach Osten in Bewegung kamen; die Festlegung des Ural als Grenze ist willkürlich.

 

Damit  zeichnete  sich  bezüglich des byzantinischen, nicht abendländisches Europa, zu Beginn der Neuzeit ein doppelter  Vorgang ab:  Auf  der  einen Seite steht das Erlöschen des alten Byzanz mit seiner historischen Kontinuität zum Römischen Reich; auf der anderen Seite erhält dieses zweite Europa mit Moskau und Petersburg eine neue Mitte und weitet seine Grenze nach Osten. Gleichzeitig entsteht im Westen ebenfalls ein doppelter Vorgang mit weitreichender historischer Bedeutung. Ein großer Teil der germanischen Welt reißt sich von Rom los; eine neue, aufgeklärte Art des Christentums entsteht, so dass durch das Abendland von nun an eine Trennlinie entsteht, die deutlich auch einen kulturellen Limes, eine Grenze zweier unterschiedlicher Denk- und Verhaltensweisen bildete.

Die sich neu formierende christliche Welt zersplittert sich im weiteren Verlauf, doch kaum in gegensätzliche Strukturen, aus der ursprünglichen zu den Reformierten und Lutheranern, während die anglikanische Kirche einen Mittelweg zwischen der katholischen und evangelischen sucht. Darin fundamentiert sich das staatskirchlich geformte Christentum, das für das westliche Abendland und den sich entwickelten Osten, also beide Europen, kennzeichnend wird.

Diese kurze geschichtliche Zusammen- fassung, auf der Suche nach den Ursprüngen, lässt uns die innere Identität Europas erkennen: als erstes die Ablösung des alten mediterranen Kontinents durch den weiter nördlich angesetzten Kontinent des Sacrum Imperium, in dem sich seit der Karolingischen Epoche Europa als westlich-lateinische Welt bildete; daneben das Fortbestehen des alten Rom in Byzanz mit seinem Ausgriff in die slawische Welt; der zweite Schritt ist der Fall von Byzanz und die damit erfolgte Nord- und Ostverschiebung des christlichen Reichs- gedankens auf der einen Seite, die innere Teilung in germanisch-protestantische und lateinisch-katholische Welt auf der anderen Seite.


(1) Es entstanden die Kirchen in Sofia und Kiew.

 

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Der sozial-gesellschaftliche Aufbruch in die Neuzeit

Der endgültige Aufbruch zur Neuzeit lässt uns zum dritten Umbruch gelangen: das weithin sichtbare Fanal: die Französische Revolution. Zwar war das Sacrum Imperium schon seit dem späten Mittelalter als politische Realität in Auflösung begriffen, die ersten Risse begannen bereits schon nach der Reichsteilung; das Erbe Karls des Großen, als tragende Geschichtsdeutung immer brüchiger geworden, aber erst zerbricht formell dieser geistige Rahmen, ohne den sich Europa nicht hätte bilden können; dies ist sowohl in realpolitischer wie in ideeller Hinsicht ein Vorgang von erheblicher Tragweite. In ideeller Hinsicht bedeutet dies, dass die sakrale Fundierung der Geschichte und die staatliche Existenz abgeworfen werden. Die Geschichte misst sich nicht mehr an einer ihr vorausliegenden und sich formenden Idee Gottes; der Staat wird nunmehr rein säkular betrachtet, auf Rationalität und Bürgerwillen gegründet; erstmal in der Geschichte überhaupt entsteht der rein säkulare Staat, der die göttliche Verbürgung und die Normierung des Politischen als mythische Weltansicht ablegt und Gott selbst zur Privatsache erklärt, die nicht ins Öffentliche der gemeinsamen Willensbildung zu einer gesellschaftlichen Staatenbildung gehört.

Das uneingeschränkte Landrecht des bodenständigen Feudalismus verliert mit der sich entwickelnden Technisierung seine Kraft, der Bürger, der bisher an die landwirtschaftliche Produktion und Erzeu- gung gebunden war, befreit sich immer mehr dem Zwang auf dem feudalen Boden stehenden Rechts.

Mit dem Aufbruch in die Moderne ist der bodenständige Mensch nicht mehr alleinig Werkzeug der Herrschenden, zunehmendes Eindringen des Bürgers in die Rechtsgeschäfte und in die staatlichen Verwaltungen machen ihn unabhängiger und freier von subjektiv eingeschlossener Willkür. Es bilden sich städtische Klaven, die sich vom  Feudalismus  lossagen und

 

nicht mehr deren Vorherrschaft folgen. Das Land ist nicht mehr Garant für Wohlstand und ungebundenes Leben. Die Bürger sind nicht mehr der Willkür ländlicher Vorherrschaft ausgesetzt, es erklingt der Ruf: 'Stadtluft macht frei!'

Neben den feudalistisch-gesellschaftlich orientierten Strukturen entwickeln sich soziale, nach technischen Handwerk ausgerichtete Strukturen; sie sind eine zunächst kaum bemerkte Komponente in der geschichtlichen Entwicklung der Europen und fundamentiert sich am stärksten im westlichen Abendland. Mit fortschreitenden Wirken des Technischen im Alltäglichen,  auf ihren Lebensgrundlagen entwickelten sich eigenständige Strukturen, die nur noch nach soziologischen und wirtschaftlich-ökologischen Mechanismen funktionieren - die Moderne der Technik beginnt, vieles wird machbar, was vorher nur als Utopie verstanden wurde.

Diese Entwicklung lässt eine neue Philosophie aufbrechen, die sich nicht mehr nach religiöser Ethik richtet, sondern den Aufbruch der menschlichen Vernunft in den Vordergrund stellt: 'Der Mensch sei Edel und Gut, so er es nur will!'

Diese fortschreitende, auffällig auf eigenen Wegen gehende, Entwicklung, lässt zunächst die Menschheit in drei Kategorien als Weltanschauung erscheinen: die Moderne, die Religiöse und die Archaische; daraus ergeben sich Spannungen, deren Unterscheidungen zunächst von keinen erkannt oder verstanden wurde. Mit langsamen Erwachen prallen diese drei Weltanschauungen aufeinander in einem Konkurrenzkampf über die vorderste Stelle der Vernunft, ein Machtkampf der mit ungleichen Mitteln gekämpft wird und eine gegenseitige Aussöhnung fordert. Mit dem Aufbruch der Neuen Welt, mit besseren Voraussetzungen für eine gesicherte Zukunft, hängen die Religiöse und die Archaische, vertreten als Weltanschauung, hinterher  und  erschweren  zunehmend

 

eine Anpassung zueinander. Der Wettlauf im Wettkampf für gemeinsame Ziele hat bereits begonnen, den Ausgang werden die nächsten Generationen entscheiden müssen.

Die Willensbildung wird nun allein als Sache der Vernunft angesehen, für die Gott nicht mehr alleinig erscheint: Religion und Glaube an Gott gehören dem Bereich des Fühlens, nicht der Vernunft zu. Gott und sein Wille hören auf öffentlich relevant zu sein.

Auf diese Weise entsteht mit dem ausgehenden 18. und dem beginnenden 19. Jahrhundert eine neue Art von Glaubensspaltung. Für das Deutsche gibt es hierfür keine Bezeichnung, weil sich die Liturgie durch die Übersetzung Luthers schon viel früher ereignet hat und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stand. In der lateinischen Sprache wird sie als Spaltung zwischen Christen und Laien bezeichnet, die katholische Kirche hält weiterhin an der lateinischsprachigen Liturgie fest. Diese Spannung ist in den letzten zwei Jahrhunderten als ein tiefer Riss durch die lateinischen Nationen gegangen, während das protestantische Christentum es zunächst leichter hatte, liberale und aufklärende Ideen in seinem Inneren Raum zu geben.

Die realpolitische Seite der Ablösung der alten Reichsidee besteht darin, dass nun definitiv die Nationen, die durch die Ausbildung einheitlicher Sprachräume als solche identifizierbar geworden waren, als die eigentlichen und einzigen Träger der Geschichte erscheinen, also einen Rang erhalten haben, der ihnen vorher so nicht zugekommen war. Die explosive Dramatik dieses nun pluralen Geschichtssubjekts zeigt sich darin, dass sich doch die großen europäischen Nationen mit einer universalen Sendung betraut wußten, die notwendig zum Konflikt zwischen ihnen fühlen musste, dessen tödliche Wucht wir in dem nun verflossenen Jahrhundert leidvoll erfahren haben.

   

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Das entstehende Europa im Christentum oder Islam?

Mit dem Sieg der posteuropäischen technisch-säkularen Welt, mit der Universalisierung ihres Lebensmusters und ihrer Denkweise verbindet sich weltweit, besonders aber in den streng nicht- europäischen Welten Asiens und Afrikas, der Eindruck, dass die Wertewelt Europa, seine Kultur und sein Glaube, worauf ihre Identität beruht, am Ende ist und eigentlich schon abgetreten sei; dass nun die Stunde der Wertesysteme anderer Welten: der Islam; das präkolumbianische Amerika; die asiatische Mystik in den buddhistischen Religionen, gekommen sei.

Die sich entwickelnde Neue Welt, die Moderne, losgelöst von ihren alten Strukturen, allein auf die Vernunft des Menschen aufgebaut, hinterlässt gerade hier eine scheinbare Lücke, die sich in der ausübenden Religionsfreiheit auftut. Das Christentum ist zwar Tradition, doch nicht mehr die alleinige Kraft in der Stellvertretung für ethische und moralische Normen.

Das Wiederaufleben des Islams ist nicht nur mit dem neuen materiellen Reichtum islamischer Länder verbunden, sondern erkennt die scheinbar offene Lücke für eine weltweite Verbreitung ihrer Glaubenseinstellung.

Gerade die wirtschaftlich schwachen Länder, Asien und Afrika, die den Anschluss als eine zukunftsorientierte Gesellschaft nicht ohne eigene Anstrengung gefunden haben, können die moderne Entwicklung nicht erkennen und suchen Schutz in der sich verbreitenden Glaubensgemeinschaft; den Islam. Zwar wird ein Erfolg darin auch nicht erkannt, wie der Islam als tragfähige Grundlage Ersatz bieten möge, doch die große religiöse Tradition, die in Europa scheinbar verloren gegangen zu sein scheint, wird zwar als Erfolg verstanden, bieten aber keine Alternativen. Dieser ausschließlich auf religiösen Boden ausgebreitete Optimismus über einen Sieg des Islams über das europäisch-christliche Abendland kann keine zukunftsweisende Vision sein.

Dieser kurze Querschnitt soll die Entwicklung Europas zeigen wie die Völker des Orients aber stets versuchten die abendländische Welt zu beherrschen. Wir stehen heute wieder vor einem solchen Ansturm des Islams, der mit der Änderung der religiösen Wertestellung im christlichen Abendland seinen Eroberungszug für gekommen sieht. Die Mittel und Methoden haben sich geändert: einesteils versucht man mit der neuen Art und Grausamkeit des Terrorismus mit Selbsmordattentäter Angst in den Völkern zu verbreiten (11. September 2001) und damit Kraft und Einfluss zu demonstrieren, andernteils fördert man in den eigenen Reihen das angebotene Asyl in den kapitalistischen Ländern zu nutzen, dabei stört man sich nicht daran angebotene Gastfreundschaft zu missbrauchen, um einen eigenen Staat im asylgewährten Gastland zu installieren - ja sogar feindlich agiert.

In der islamischen Welt hat man schließlich auch erkannt, dass man einen inter- nationalen Vergleich bereits verloren hat, nicht nur verloren, sondern auch auf Generationen hin nicht einholen kann; diesen riesigen Unterschied auszugleichen ist ohne den Anschluss an die moderne westliche Welt nicht zu erbringen, so versucht man die entstandene Differenz auf religiösen und archaischen Boden auszu- gleichen. Die dazu nötigen wirtschaftlichen Mittel beschränken sich aber nur auf natürliche Ressourcen, die auszubeuten ohne dem technischen Knowhow der modernen Industrieländer, nicht möglich ist; man erkannte dies als eine wirtschaftlich-ökologische Zwangsjacke und sieht darin eine  permanente Bedrohung;  das christliche Abendland, insbesondere Deutschland, ist den Anläufen aus der islamischen Welt ausgesetzt.

 

Die Asylbewegung zeichnet Probleme und damit  entstehende  Unterschiede  auf, die gesellschaftlich-freiheitliche Haltung, die in den westlichen Industrieländern praktiziert wird, wenngleich die Handhabung noch in den Anfängen steckt, brauchbare und langjährige Erfahrungswerte dafür gibt es noch nicht, lockt die Verarmten an den Wohlstand teil zu haben. Die damit verbundene Verantwortung und auch oft selbstlose Einsatzbereitschaft wird man nicht gerecht, wird ja sogar bewusst ignoriert oder als nicht eigenständig abgelehnt.

Zu dieser fast schon feindlichen Haltung gegen die christlich-abendländische Gesellschaft und den Staat gesellt sich in den eigenen Reihen des christlichen Abendlands ein konsumorientierter Standpunkt, mit einer abweisenden Haltung, in der für einen erhaltenden Nachwuchs für die Zukunft des Volkes zu sorgen abgelehnt wird, ja eher als lästig angesehen wird, um eigene Lebenswerte zu verbessern oder zu vervollkommnen, hinzu. Mit dem Streben zu mehr Perfektion und Ausbildung für eine höhere Lebensqualität, hat man die ur- eigensten Aufgaben des Menschen aus den Augen verloren. Diese Aufgabe hat man den Menschen aus der so genannten dritten Welt überlassen und dabei die Generationenfolge verlagert, bzw. aufgegeben.

Man kann diesen Zustand für eine betroffene Nation als Krise bezeichnen, dessen ursächliche Krankheitskeime noch nicht vollkommen erkannt sind, der diagnostische Weg zur Kenntnis der Krise ist zwar schon eingeschlagen, eine Lösung zur Heilung der erkannten Probleme aber noch nicht in Sicht; hier ist die Politik gefordert die kommenden Generationen aufzuklären sowohl die ideologischen und wirtschaftlichen Mittel bereit zu stellen den sich auftuenden Aufgaben entgegenzutreten und gerecht zu werden.

So stellt sich trotzdem die Frage: Wie soll es weitergehen? Gibt es in den gewaltigen Umbrüchen unserer Zeit eine Identität Europas, die Zukunft hat und zu der wir von innen her und mit innerer Überzeugung stehen können?

Für die Väter der europäischen Einigung steht es fest, dass es eine solche Grundlage gibt, bzw. geben muss, und dass sie im christlichen Erbe unseres durch das Christentum gewordenen Kontinents besteht.

Die europäische Einigung hat sich zunächst fast ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten vollzogen, unter weitgehender Ausklammerung der Frage nach den geistigen Grundlagen für eine große Gemeinschaft. Mit dem steigenden Druck aus den östlichen Ländern hat sich das Bewusstsein eingestellt, dass die wirtschaftliche Gemeinschaft der europäischen Staaten auch eine Grundlage gemeinsamer Werte bedarf.

Die Gefahren durch das Fremde: das An- wachsen der Gewalt; vorbereitet durch die hohe Arbeitslosigkeit; die Flucht in die Droge; das Zunehmen der Korruption mit der Ignoranz des Rechtsstaats, lässt uns sehr fühlbar werden, dass der Werteverfall durchaus auch in der gesellschaftlichen Ordnung liegt.

Die Vertretung von Rechtsstaatlichkeit des modernen Industriestaat Deutschlands zusammen mit Europa, für eine Freiheitliche gesellschaftliche Ordnung ist dabei als Hemmschuh empfunden, den die Menschen aus dem ostasiatischen Raum kaum verstehen und auch keinen emotionalen und persönlichen Beitrag zu leisten im Stande sind und auch nicht schätzen.

Die Rechtsauffassung ihrer gesellschaftlichen Ordnung, gebunden im islamischen Denken, ist ihnen  genug und  verhindert  die  Anpassung,

 

noch nicht Integration, an einer Werte- vorstellung für die Ordnung in einer freiheitlichen Welt. Das weite Feld des östlichen christlichen Abendlands, das lange Jahre hindurch in der politischen  Isolation gelegen hat,   ist in seiner Rückführung an das christliche Abendland  als Segen zu verstehen, wenn man den Mangel des Bevölkerungsnachwuchses in den hochtechnisierten Industriestaat Deutschland erkennt und eine Kompensation auf längere Sicht verfolgen möchte.  Die Wertvorstellungen dieser Völker, die bereits aus der Tradition vorhandene, gleichen sich leichter an die bereits bestehenden Wertvorstellungen, der bereits führenden Industrienation, an. Die Unbedingtheit, dass die Menschenrechte und die Menschenwürde als Werte erscheinen müssen, die jeglicher staatlichen Rechts- setzung vorangehen, ist hier ebenso im christlichen Erbe in seiner besonderen Art von Gültigkeit kodifiziert. Diese Werte, die für niemand manipulierbar sind, sind die eigentliche Gewähr unserer Freiheit und menschlichen Größe, der gemeinsame christliche Glaube sieht darin das Geheimnis des Schöpfers und der von ihm dem Menschen verliehene Ebenbildlichkeit Gottes; so schützt diese Wesensähnlichkeit die christliche Identität in den europäischen Ländern. Die Festschreibung von Wert und Würde des Menschen, von Freiheit, Gleichheit und Solidarität in den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit schließt ein Menschenbild, eine moralische Option und eine Idee des Rechts ein, die sich keineswegs von selbst verstehen, aber in der Tat grundlegende Identitätsfaktoren Europas sind.

Die sich weit öffnenden Grenzen nach Osten werfen natürlich neue Fragen und auch neue Probleme auf: Was ist dann nun Europa? Was kann und soll es sein im Ganzen der geschichtlichen Bewegung am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends? Auf einen gemeinsamen Weg für eine gemeinsame Identität mit einem Willen für ein neues Europa ist klar geworden: Die Ausweitung des Zweiten Weltkriegs, die Verwüstung und Zerstörung der europäischen Völker, die sogar die ganze Welt in Mitleidenschaft gezogen hat, zeigt, dass die europäischen Staaten Verlierer dieses grausamen Dramas waren; ein solches Desaster darf sich nicht mehr wiederholen; nicht mehr ereignen. Der Nationalsozialismus und idealistische Hegemonie waren die Wegbereiter zum Zweiten Weltkrieg. Der politisch undemokratische Druck von den Nachbarländern Deutschlands und die sinnlose Forderung von Reparationszahlungen verschärfte die politische Situation in ihrer entstehenden Zeit; einen Ausweg auf diplomatischen Weg zeigte keine brauchbare Lösung.

Das Miteinander heute steht vor einem neuen Anfang, eine Wertestellung für eine europäische Identität, die nationale Identitäten nicht leugnen oder gar auslöschen, aber jedoch in eine Gemeinsamkeit zu einer Völkergemeinschaft verbinden solle. Der Gedanke Karls des Großen, ein gemeinsamer Gedanke, wenn auch noch nicht  auf einer praktizierten demokratischen Grundlage, birgt sich darin, doch dauerte es immerhin fast 1100 Jahre für eine Verwirklichung.

Europa ist auf dem Weg zusammenzu- wachsen, gemeinsame Grundlagen in der Wertevorstellung sind bereits angesprochen, sie dürfen, bei einen Aufbau wirtschaftlicher Strukturen und ökonomischen Handelns, auch geistige Entscheidungen nicht ausschließen.

Versteht man das Dargestellte als einen Kanon für die Zukunft, so hat das sich neu bildende Europa Chancen.

 

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Ein überschaubarer und leicht verständlicher Überblick, zusammengetragen und verfasst auf den Grundlagen geschichtlicher Quellen.

- 02.01.2006, Horst Biehl -